Bericht von der Fachtagung: Konflikte um Arbeit und Macht

Die Konflikte in der Arbeitswelt werden vieler Ortens wieder härter geführt. Zugleich nehmen die sozialen Spannungen zu. Wirksame Handlungsstrategien sind jetzt gefragt, um nachhaltige Maßstäbe für Arbeit und Gesellschaft zu definieren. Dazu diskutierte der Kasseler Kreis auf der Fachtagung am 23. und 24.09.2016 in der IGM Bildungsstätte am Pichelssee in Berlin.

Noch unter den Eindrücken der Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern diskutierten ca. 50 Teilnehmer(innen) über die Konflikte um Arbeit und Macht. Konflikte in der Welt der Arbeit sind dabei auch immer Konflikte um die wirtschaftliche Macht, wobei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer öfter den Kampf verlieren würden, so die Feststellung von Knut Lambertin, Vorsitzender des Kasseler Kreis, der die Fachtagung eröffnete. Die Begrüßungsworte für die Friedrich-Ebert-Stiftung sprach Ändrä Gärber, der darauf verwies, wie sich die Einkommensverteilung weiter verschlechtert habe. So schreite die Prekarisierung in der Arbeitswelt voran und habe bereits heute vor allem für weibliche und junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verheerende soziale und ökonomische Folgen. Auch darum sei das Thema Ungleichheit wieder auf der politischen Agenda zurück. Die einseitige Herrschaft des Kapitals sei auch mit ein Treiber dafür, dass sich Menschen von der Politik abwenden würden, so Gärber, sie sehen in den politischen Institutionen häufig keine Kontrollinstanz mehr über wesentliche Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft.

Zum Kamingespräch waren in diesem Jahr mit Sylvia Bühler (ver.di) und Hubertus Heil (SPD Bundestagsfraktion) zwei Vertreter aus Partei und Gewerkschaften, die von praktischen Problemen und parteipolitischen Lösungsansätzen berichteten. Bühler, die im ver.di Bundesvorstand verantwortlich für die Gesundheitsbranche ist, sieht eine große Herausforderung in der Bekämpfung zunehmender prekärer Beschäftigung im Gesundheitswesen. Ihrer anschaulich dargestellten Beispiele, einer sich unter dem Wachstumsdruck entregulierenden Gesundheitsbranche, konnte Heil nur zustimmen. Er schaute unterdessen aber auch nach vorn und verdeutlichte, wie notwendig es nun sei, die „Organisationskraft der Arbeitnehmer(innen) durch bessere staatliche Rahmenbedingungen“ zu erhöhen. Chancen boten sich aus seiner Sicht u.a. durch die Neuordnung der Arbeit in der digitalen Ökonomie.

Die Frage, wie Arbeit in einer digitalisierten Gesellschaft geregelt werden könne, sei aus seiner Sicht Zukunftsaufgabe der Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert. Es gehe nun darum, den „Sozialstaat der Zukunft zu denken“, so Heil. Die Finanzierung der zukünftigen wohlfahrtsstaatlichen Aufgaben müsse dabei in erster Linie durch eine gerechte Primärverteilung geschehen, was Gewerkschaft und Partei gemeinsam in Angriff nehmen müssen.  

Zum Ende hin ging es immer wieder um die Frage, wie man mit dem Rechtspopulismus in Europa und Deutschland umgehen soll. Heil verwies auf die Erfolge der SPD in der aktuellen Regierung, zeigte sich aber auch selbstkritisch und gestand ein, dass die Menschen der Partei den Kampf für die soziale Gerechtigkeit nicht mehr zutrauen würden. Statt Technokraten der Macht zu sein, müsse man nun „mehr Empathie für die Lebensumstände der Menschen entwickeln“, um mit eigenen Inhalten und Positionen mehrheitsfähig zu werden.

Der zweite Tag der Tagung begann mit einem Referat von Dr. Eric Seils vom WSI, der in einem pointierten Vortrag über die soziale Ungleichheit und politische Schlussfolgerungen referierte. Aus seinen Forschungsergebnissen ergeben sich für ihn keine dramatische Zunahme der Armutssituation in Deutschland. Er mahnte aber an, dass man nun das Niveau der öffentlichen Renten stabilisieren müsse, um flächendeckende Altersarmut zu verhindern. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, Dr. Carola Reimann, verwies darauf, dass sich die Einkommen erhöhen müssen, um Altersarmut wirksam zu bekämpfen.  Altersarmut entstehe in Zeiten prekärer Beschäftigung, wodurch prekär Beschäftigte doppelte Benachteiligung erfahren würden: bereits während der aktiven Erwerbsarbeit und später im Rentenalter.

Das letzte Panel der Tagung übernahmen Dr. Nikolaus Kowall, Leiter des Forschungsinstituts für Gesellschaftliche Weiterentwicklung, und Stefan Körzell, Mitglied im geschäftsführenden Bundesvorstand des DGB. Schonungslos und fundiert sprach Kowall über die europäischen Rechtspopulisten. „Eine Spaltung der Gesellschaft in Volk und Staat“ sei das Ziel der neuen Rechten. Diese ausgrenzende Freund-Feind-Logik würde dazu genutzt, sich als die einzig legitimen Volksvertreter zu inszenieren, so Kowall. Dabei würden sie immer wieder die soziale Frage ins Zentrum stellen, allerdings mit chauvinistischen Anstrich. Ziel müsse es sein, die Kapitalbesitzer zum gemeinwohl-orientierten Kapitaleinsatz zu bewegen, um soziale Verwerfungen zu reduzieren. Körzell griff die Debatte auf, um darzustellen, wie die Gewerkschaften es in der Vergangenheit geschafft haben, Themen mehrheitsfähig zu machen (vgl. Mindestlohn). Für ihn sei es nun entscheidend, bei konkreten Themen als DGB die Meinungsführerschaft zu übernehmen und sie in der Gesellschaft mehrheitsfähig zu machen.  Auf die Frage, wo gemeinsame Schnittmengen zur Parteipolitik lägen, nannte Körzell die Stabilisierung des Rentenniveaus, mehr Investitionen in die Infrastruktur und eine höhere Besteuerung der hohen Einkommen als notwendige Reformschritte, die zu mehr Gerechtigkeit führen würden. 

Nach der Analyse der letzten Jahre, in der der Kasseler Kreis intensiv die Beziehungen zwischen Arbeitnehmer(innen), Parteien und Gewerkschaften beleuchtet hat, wurden die Themen sehr konkret diskutiert. Viele Statements drehten sich um den Zusammenhang zwischen abnehmender sozialer Gerechtigkeit und dem Erfolg des Rechtspopulismus in Deutschland und Europa. Es wurde deutlich, dass dieser Zusammenhang Themen drängend ist und Lösungen gefunden werden müssen, um den Populisten nicht die Welt zu überlassen. Lösungen, die Sozialdemokraten und Gewerkschaften gemeinsam entwickeln sollten, damit wieder mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für die soziale Demokratie gewonnen werden. 

Stephanie Albrecht & Willi Francke